Ausgrabungen 2020

Das Homberger Schloss gibt weitere Rätsel auf!!

Die archäologischen Untersuchungen am Schloss wecken Hoffnungen auf weit reichende Entdeckungen

In der letzten Juli Woche förderten die archäologischen Untersuchungen der Uni Marburg wahrscheinlich nur einen Bruchteil dessen zu Tage, was sich unter den angrenzenden Flächen um die Burgkapelle an Zeugnissen mittelalterlicher Nutzungen des Schlosses verbirgt.

Ausgangspunkt des universitären Interesses waren die Forschungen zur möglichen Tempelherren-Vergangenheit in Homberg von Dr. Thorsten Rühl. Dieser hatte im September 2019 im Kaminsaal des Schlosses dem staunenden Publikum einen Vortrag dargeboten, in dem er Belege seiner Forschungsergebnisse darstellte, dass das Schloss als ein geheimer Zufluchtsort der Tempelritter gedient haben mochte, nachdem König Philipp IV. von Frankreich am 13. Oktober 1307 (Freitag der 13.!) die Zerschlagung des Templerordens mit einer Verhaftungswelle eingeleitet hatte..

Aus verschiedenen Quellen ab 1646 geht hervor, dass „wie auß alten Documentis erscheinet/ in Vorjahren ein Geistlich Ordenshauß gewesen/ worinnen TempelHerren gewohnet haben, welcher Orden (…) vmbs Jahr 1311 ausgetilget worden“ (Merian, 1646, Topographia Hessiae über Homberg). 1697 schrieb Johann Justus Winkelmann (hess. Historiograph) „Hinter der Capell hat Amtmann Johann Moritz von Gilsen im Jahr 1640 bei einem neu angelegten Garten …eine ziemliche Anzahl Todten-Cörper an Köpfen und Gebeinen (so weit über gewöhnliche und heutiger Körper Größe)… befunden …und ist vermuthlich dass dieses solcher Ordens-Herren Gebeine müssen gewesen seyn.“


Und ein weiteres Indiz spricht dafür, dass die Templer hier am Schloss mitsamt der Kapelle gewirkt haben: 1874 geht aus den Quartalsblättern des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen über die Kapelle hervor: „Im Munde der Bewohner heißt das Gebäude die „Tempelherrnkapelle“.

All sein Forschen und die vorgefundenen Belege befeuerten den Hobby-Forscher Dr. Rühl im April 2019 eine Radarmessung durch eine Dresdener Firma zu veranlassen, die bis zum gewachsenen Fels den Untergrund der Kapelle und des angrenzenden Geländes außerhalb der Nord- und Ostwand auf seine Strukturen erfassen konnte. Das Ergebnis: In etwa 2 Meter Tiefe fand man 2 auf 2 Meter große auffällige Strukturen unter dem Kapellenboden und im angrenzenden Garten hinter der Nordwand eine Anomalie von etwa 2,5 Meter Länge und knapp einem Meter Breite. Aufgrund der von Dr. Rühl vorgelegten Dokumente war zu vermuten, dass es sich um ein Gebeinelager der mittelalterlichen Templer handeln könnte.

Für die Schlosspatrioten und insbesondere deren Geschichts-Arbeitskreis mussten die ursprünglich geplanten Drainage-Arbeiten zur Trockenlegung der Ostwand der St. Georgs-Kapelle aufgrund der elektrisierenden Ergebnisse nun erstmal zurücktreten. Man nahm Verbindung auf zum Denkmalpfleger Dr. Thiedmann in Marburg und zur archäologischen Fakultät der Uni Marburg. In Absprache mit dem Denkmalschutz erklärte sich der Archäologie-Professor Dr. Teichner zu ersten Grabungen bereit, die jetzt zur Zeit des Sommersemesters mit Studenten seiner Fakultät für eine Woche durchgeführt wurden.

Das Ergebnis der mühevollen Kleinarbeit mit Spaten, Schubkarre, Schäufelchen und Zahnbürste: Tausende von kleinteiligen Scherben, Zähne, ein Stück Schädeldecke mit Zahn, eine Kreuzer-Münze aus dem Jahre 1733 und am Ende der Grabungen am Freitag stieß man dann auf das eigentlich Faszinierende: In etwa 1,3 m Tiefe trat ein Sockel hervor, der Teil eines alten Fundaments zu sein scheint, mit einer darüber liegenden Hohlraumröhre von etwa 18 cm Durchmesser, die mit Steinen zugeschüttet war und vermutlich ehemals als Drainage diente. Auf gleicher Höhe tritt aus der etwas entfernt liegenden Ostwand der Burgmauer ein Abwasserrohr heraus, das offenbar die Fortführung dieser ehemaligen Leitung zu sein scheint. Und ein weiterer Grabungsfund vor diesem Sockel versetzte die Grabungsfachleute in Erstaunen: ein Steinquader von 70 x 70 Zentimeter Fläche und ca. 1 Meter Höhe, dessen Einbettung in einen Funktionszusammenhang noch völlig unklar ist. Professor Teichner geht davon aus, dass man sehr wahrscheinlich auf die Überreste eines älteren Vorgängerbaus der Kapelle gestoßen ist.

Die jetzt ausgehobene Grube von ca. 2.10 Meter Tiefe und 2 x 2,5 Meter Fläche scheint also offenbar nur der Anfang weiterführender Entdeckungen gewesen zu sein, zumal die vom Bodenradar entdeckten Strukturen noch ca. 1-2 Meter von der jetzigen Aushubgrube entfernt liegen. Man hofft nun auf eine weitere Grabungsgenehmigung der Landesarchäologie und damit auf eine Übernahme der Kosten für das kommende Jahr.

So bleibt das Schloss also sagenumwittert und birgt zugleich ein wissenschaftlich zu ergründendes Forschungspotential für die Uni Marburg, das die Neugier sowohl der Fachleute wie auch der Homberger und vor allem der Schloss-Patrioten wach halten wird. Man darf gespannt sein, welche Rätsel sich im Laufe der Zeit noch auftun und ob sie je gelöst werden können.